Karfreitag

 

Oh Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz bedeckt mit Hohn,
auch unsere Seelen sind geschunden,
doch wer fragt danach schon.

Wo ist die Liebe zu dem Nächsten,
vergebens sucht man sie,
selbst wenn die Not am Größten,
man findet diese nie.

Die Menschen sind so eigen,
sie verweigern sich,
wollen keine Gefühle zeigen,
wie bitter und betrüblich.

Können ihren Schmerz nicht teilen,
der tief im Herzen brennt,
müssen allein mit ihm verweilen,
weil man sich nicht dazu bekennt.

Bittere Tränen, die geweint,
bleiben ungesehen,
weil vielleicht ernsthaft gemeint,
sie dürften nicht geschehen.

In der Stärke liegt die Kraft,
die so oft ist zu beweisen,
das Selbstbewusstsein das sie schafft,
lässt die Realität vergreisen.

Tief im Innern ihrer Herzen,
da spüren sie es um so mehr,
immer größer sind die Schmerzen,
sie allein zu ertragen ist so schwer.

Oh könnten sie den Sprung nur wagen,
den Sprung über das eigene Ich,
um Nächstenliebe zu erfragen,
doch man lässt sich selbst im Stich.

Der Herr ist wieder auferstanden,
hat die Nächstenliebe uns gezeigt,
wir Menschen haben es nicht verstanden,
das man sich stumm die Hände reicht.

Wilhelm Rohe